Deutsche Transportlogistik im Wandel: Eine nicht immer ganz ernst zu nehmende Einschätzung eines erfahrenen Transport-Einkäufers
Die meisten Märchen starten mit der Phrase „Es war einmal“ und offenbar passt diese Phrase auch zur aktuellen Situation auf dem deutschen Transportmarkt. Speziell beleuchtet dieser Artikel die Vielzahl der Verlader in den Bereichen Sammelgut, Teilladung und Komplettladung.
Ach wie gerne erinnert man sich als Verlader an die „gute alte Zeit“ ! Da konnte man
- wenn Umsatz oder Marge zurückging, oder externe Berater meinten, dass die Frachtkosten im Unternehmen viel zu hoch seien, wurde mal schnell eine Transportausschreibung gemacht... und bis vor einigen Jahren war das auch extrem erfolgreich, denn in den meisten Fällen fand man auch einen Spediteur, der günstigere Angebote platzierte. So konnte man durch einige Gespräche mal schnell Kosten im 2-stelligen Prozentbereich einsparen
- den Fahrer doch glatt als billigen bzw. kostenlosen Be- und Entlader nutzen, um diese Kosten von seiner eigenen Payroll fernzuhalten. Wie oft hört man den berühmten „Zaubersatz“: „wenn wir beladen sollen, dauert das leider noch ein paar Stündchen, aber gerne können sie den LKW selbst beladen; dann sind sie in spätestens 30 Minuten wieder vom Hof“. Ein betriebswirtschaftlich geschulter Disponent dachte sich dann, dass x-Stunden Wartezeit seine komplette Dispo durcheinander bringt und letztlich mehr kostet, als den Fahrer anzuweisen, doch selbst zu beladen…..der Gedanke hierbei war dann „time is cash, time is money“
- einen Spediteur vielfach in die Haftung nehmen, wenn man vom Empfänger (und hier war und ist der Handel weit vorne) eine vielfach überteuerte Rechnung für das Verpassen eines Anlieferzeitfensters erhielt, obwohl die AGB der Speditionswelt (man nennt sie – glaube ich – ADSP) eine solche Kostenübernahme grundsätzlich nicht vorsahen
- um selbst so wenig Arbeit wie möglich zu haben, wurden „technisch unterentwickelte“ Spediteure dennoch aufgefordert, Rechnungsanlagen nicht mehr als Hardcopy zu liefern, sondern „mundgerecht“ in einem systemtechnisch kontrollierbaren Format, oder man ging sogar noch einen Schritt weiter, indem man den Spediteuren ein „System zur Frachtgutschrift“ aufzwang, um hiermit die Prüfpflicht von Verlader zum Spediteur zu verschieben
- man vereinbarte mit den Spediteuren eine Ladehilfsmittel-Tausch in „Übergabequalität“; wohl wissend, dass der Spediteur vielfach bei Empfänger Paletten schlechterer Qualität zurück erhielt
Ach ja, das waren noch die tollen Zeiten des „Käufermarktes“ ! Doch was ist plötzlich und unerwartet passiert, dass diese Zeiten jetzt vorbei sind?
Zunächst einmal wollte die Politik die Rahmenbedingungen ökologisch verändern; mal war die Binnenschifffahrt der Rettungsanker; mal war es die Schiene. Das Problem dieser Verkehrsträger im nationalen Geschäft war – und ist – jedoch, dass die Majorität der Empfänger weder über einen Bahnanschluss, noch über einen eigenen Hafen verfügt….schade eigentlich. Nachdem dann auch noch der Markt der „billigen“ Spediteure (zuerst waren es Spediteure aus Benelux, die den deutschen Markt zu günstigen Preisen überfluteten und danach Spediteure aus vielen osteuropäischen Ländern) aus dem Ausland „abgegrast“ war, wurde die Situation für die Verlader langsam eng.
Als dann auch noch pandemiegetriebene Negativeinflüsse (z.B. weltweite Lieferketten-behinderungen), extrem steigende Energieknappheit (z.B. durch die Ukraine Krise) und ein existenzbedrohendes Nachwuchsproblem auf dem Fahrermarkt (z.B. durch den Wegfall der Bundeswehr als zuverlässiger Ausbildungsbetrieb für Fahrer) wurde die Situation noch viel enger.
Aus der „Made im Speck“ wurden Verlader plötzlich zu „Elefanten in der Wüste“ ohne realistische Aussicht auf Fressen und Trinken und für die Spediteure ergab sich dann plötzlich aber erwartet die Chance, die äußerst geringen Margen der letzten Jahre und Jahrzehnte nachhaltig zu verbessern, weil man ja z.B. pandemiebedingt zu den systemrelevanten Branchen zählte; irgendwo musste Anfang 2020 ja das Toilettenpapier herkommen.
Doch was machen nun die ehemaligen „Top-Kosteneinsparer“ in Industrie und Handel ?
Na ja, die müssen langsam verstehen, dass sich der ehemalige Käufermarkt sich nun nachhaltig in einen Verkäufermarkt verändert. Das zeigen nicht zuletzt die aktuellen Forderungen der Spediteure bei der Festlegung der neuen Konditionen, wo viele Verlader erst einmal kräftig schlucken mussten, als dann hohe 1 – 2 stellige Prozentpunkte als Verhandlungsbasis von den Spediteuren auf den Tisch gelegt wurden……und das obwohl im Budget der Verlader wie eigentlich jedes Jahr zuvor, Kosteneinsparungen im Transportbereich budgetiert wurden. Somit verlagerte sich leider die Kernaufgabe der Transporteinkäufer von „Cost – Saving“ auf „Cost – Avoidance“….und Avoidance bedeutet leider vielfach, dass man nicht mehr wirklich auf dem Fahrersitz sitzt.
Für mich ist jedoch auch diese Phase endlich und schafft perspektivisch nun endlich die Basis für einen zielorientierten Umgang miteinander. Letztlich zwingen die aktuellen Behinderungen alle Beteiligten zu einem konsequenten Umdenken. Spätestens ab sofort sollten folgende Punkte in den Vordergrund rücken:
- gemeinsame Reduzierung der Leerkilometer im Transportwesen. Anno 2020 leistete die deutsche Transportwirtschaft rund 6,6 Milliarden Leerkilometer, was nach heutiger Kostenstruktur um die 10 Millarden € Kosteneinsparpotenzial für die Transportkette bedeutet und dessen maximale Reduzierung sicherlich auch das Erreichen des ein oder anderen Klimaziels vorantreiben wird.
- welcher Verlader oder Empfänger wünscht sich in den betrachteten Bereichen nicht die gleiche Transparenz, die uns als Privat- oder Geschäftsleute bereits heute im KEP-Bereich geboten werden, d.h. bei Auftragserteilung erhalte ich vom Lieferanten einen Link mit einer Sendungsnummer zum eingesetzten Dienstleister und ab diesem Moment kann ich in „Echtzeit“ den Status einer Sendung nachverfolgen.
- Vermehrte Konsolidierung von Sendungen, z.B. durch eine gezielte Quell- oder Zielgebietsbündelung (Hintergrund….müssen wirklich pro Tag mehrere Spediteure unabhängig voneinander beim jeweiligen Empfänger Sammelgüter oder Teilladungen anliefern und ist es wirklich notwendig, dass man täglich jeden einzelnen KEP Dienstleister an seiner Haustüre vorbei fahren sieht ?)
- In Ballungsgebieten Wiederaufnahme der Thematik „City-Logistik“, allerdings als Lösungsansatz 2.0. Wäre es nicht schön und erstrebenswert, nur noch 1 x täglich zu einem planbaren Termin nur noch eine Anlieferung von Lieferanten aus verschiedenen Regionen zu haben (z.B. durch Anlieferung der Hauptläufe als Cross Docking und Zustellung durch nur einen Dienstleister)
Natürlich ist hier noch einiges an Umdenken bei allen Prozessbeteiligten erforderlich, aber letztlich zeigt sicherlich diese Einschätzung bereits, dass – auch wenn alle genannten positiven und negativen Gesichtspunkte, sowie die neuen und alten Ideen nur Beispiele sind und keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben – es genügend Chancen gibt, mit etwas weniger Egoismus und etwas mehr Weitblick auf die gesamtwirtschaftliche Situation nachhaltige Optimierungen zu erzielen und das nicht unbedingt zu Lasten der Kosten.
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